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Kraftwerk vs. Moses P. und Sabrina Setlur – 20 Jahre Rechtsstreit durch alle Instanzen

Moses Pelhams für Sabrina Setlur produziertes Stück Nur mir (1997) enthält als “Loop“ ein zwei-Sekunden langes Sample aus dem Musikstück Metall auf Metall (1977) vom Album Trans Europa Express der Band Kraftwerk. Dadurch sehen Mitglieder der Band ihre Rechte als Tonträgerhersteller verletzt. Daher klagten sie bereits 1999(!) beim Landgericht Hamburg auf Unterlassung, Schadensersatz, Auskunftserteilung und auch Vernichtung der Tonträger. Moses Pelham sagte vor Gericht aus, er habe die Sequenz in seinem Tonarchiv gefunden.

Das LG Hamburg (Urteil vom 8. Oktober 2004 – 308 O 90/99) gab der Klage zunächst statt. Auch die anschließende Berufung der Beklagten vor dem Oberlandesgericht Hamburg (Urteil vom 7. Juni 2006 – 5 U 48/05) blieb ohne Erfolg. Im Revisionsverfahren hob jedoch der Bundesgerichtshof (Urteil vom 20. November 2008 – I ZR 112/06, GRUR 2009, 403 = WRP 2009, 308 – Metall auf Metall I) das Berufungsurteil auf und verwies die Sache somit zur Neuverhandlung an das OLG Hamburg zurück.

Dort gab man der Klage erneut statt (OLG Hamburg – Urteil vom 17. August 2011 – 5 U 48/05). Nach der anschließenden zweiten Revision der Beklagten nahm der BGH (Urteil vom 13. Dezember 2012 – I ZR 182/11, GRUR 2013, 614 = WRP 2013, 804 – Metall auf Metall II) an, dass das Sampling tatsächlich in das Urheberecht der Kläger eingreife. Die aus „Metall auf Metall“ entnommene Sequenz habe Moses P auch selbst fertigen können, ihm stehe kein Recht zur freien Benutzung zu, daher habe er die Tonaufnahme nicht ohne Einwilligung der Band Kraftwerk nutzen dürfen.

Die Beklagten sahen nach wie vor ihre Kunstfreiheit verletzt. Der Streit ging bis vor das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Urteil vom 31. Mai 2016 – 1 BvR 1585/13, BVerfGE 142, 74). Die Karlsruher Richter entschieden, dass der grundgesetzlich garantierten Kunstfreiheit nicht hinreichend Rechnung getragen sein könne, wenn bereits die Übernahme kleinster Tonsequenzen in ein selbständiges Werk einen unzulässigen Eingriff in das Tonträgerherstellerrecht der Kläger darstelle. Das Revisionsurteil sowie das Berufungsurteil wurden aufgehoben.

Somit wurde die Sache wieder an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen, welcher nunmehr das Verfahren mit Beschluss vom 1. Juni 2017 aussetzte und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) fünf Fragen zur Auslegung von EU-Richtlinien vorlegte, da den maßgeblichen Regelungen des deutschen Urheberrechts Unionsrecht zugrunde liegt.

Der EuGH (Urteil vom 29. Juli 2019; C-476/17, GRUR 2019, 929 = WRP 2019, 1156 – Pelham u.a.) beantwortete diese kürzlich. Er stellte fest, dass das Vervielfältigungsrecht des Künstlers bereits durch die Übernahme kleinster Tonsequenzen in einem Werk eines anderen Künstlers – zwei Sekunden lange Samples – betroffen sein könne. Gleichwohl sei deshalb nicht jede Verwendung eines Samples in einem selbständigen Musikwerk unzulässig. Vielmehr liege eine Vervielfältigung im Sinne der Richtlinie dann nicht vor, wenn die Sequenz in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbarer Form übernommen werde, um ein neues und vom ursprünglichen Werk unabhängiges Werk zu schaffen. Einschränkend sei lediglich die Erkennbarkeit der Audiosequenz innerhalb des neuen Werk.

Künstler müssen es daher nicht generell hinnehmen, dass Sequenzen aus ihren Werken durch andere Künstler in neuen Werken übernommen werden, sondern es kommt auf die Wiedererkennbarkeit des übernommenen Teils im neuen Werk an.

Der Rechtsstreit zur Zulässigkeit des Tonträger-Samplings geht daher weiter und wird nun am 9. Januar 2020, 9.00 Uhr in mündlicher Verhandlung vor dem BGH fortgesetzt.