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Die Europäische Kommission hat mit Entscheidung vom 17. Dezember 2018 gegen das Modeunternehmen Guess wegen Verstößen gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV eine Geldbuße in Höhe von knapp 40 Millionen Euro festgesetzt. Das Bußgeld sei allerdings halbiert worden, weil Guess zuletzt mit der Europäischen Kommission über seine rechtlichen Verpflichtungen hinaus zusammengearbeitet habe.

Im Juni 2016 hatte die Europäische Kommission eine kartellrechtliche Untersuchung der Vertriebsverträge und –praktiken von Guess eingeleitet.

Guess vertreibt seine Produkte durch Einzelhändler innerhalb selektiver Vertriebssysteme, bei denen die Guess-Produkte nur von vorab ausgewählten, zugelassenen Händlern verkauft werden dürfen. Durch die Implementierung selektiver Vertriebssysteme lassen sich die Vertriebsnetze effizienter kontrollieren und insbesondere die Markenreputation schützen.

Grenzen selektiver Vertriebssysteme

Der unternehmerischen Gestaltungsfreiheit bei der Verwendung selektiver Vertriebssysteme sind allerdings wettbewerbsrechtliche Grenzen gesetzt. Gem. Art. 101 Abs. 1 AEUV sind alle Vereinbarungen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und den Wettbewerb im EU-Binnenmarkt verhindern, einschränken oder verfälschen, verboten.

In der jüngeren Vergangenheit bewerteten das Bundeskartellamt sowie das OLG Düsseldorf in den ASICS-Entscheidungen sowohl das Verbot der Verwendung von Markenzeichen auf Internetseiten Dritter als auch das Verbot der Unterstützung von Preisvergleichsmaschinen als Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV (Bundeskartellamt, Beschl. v. 26.08.2015, B2-98/11; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.4.2017, VI Kart 13/15 [V] – ASICS).

Im Coty-Urteil entschied der EuGH, dass es innerhalb selektiver Vertriebssysteme möglich sei, den Internetvertrieb von Luxuswaren unter Einschaltung nach außen erkennbarer Drittplattformen vertraglich zu verbieten (EuGH, Urteil v. 06.12.2017, Rs. C – 230/16 – Coty Germany). Dies allerdings nur unter strengen Bedingungen.

Guess hindert Vertragshändler am grenzüberschreitenden Verkauf

Die von der Europäischen Kommission initiierte Untersuchung ergab, dass Guess in der Zeit vom 1. Januar 2014 bis 31. Oktober 2017 durch die verwendeten Vertriebsverträge die innerhalb des selektiven Vertriebssystems zugelassenen Vertragshändler am grenzüberschreitenden Verkauf an Verbraucher innerhalb des Binnenmarkts der Europäischen Union gehindert habe.

Konkret wurden die Vertragshändler daran gehindert,

  • Markennamen und Warenzeichen von Guess für die Zwecke der Werbung auf Online-Suchmaschinen zu verwenden;
  • Online-Verkäufe ohne vorherige ausdrückliche Genehmigung durch Guess zu tätigen;
  • an Verbraucher außerhalb der zugewiesenen Händlergebiete zu verkaufen;
  • Querverkäufe zwischen zugelassenen Großhändlern und Einzelhändlern zu tätigen;

sowie

  • die Einzelhandelspreise für Guess-Produkte unabhängig festzusetzen.

Nach Ansicht der Europäischen Kommission versuchte Guess insbesondere über das Verbot der grenzüberschreitenden Werbung und des grenzüberschreitenden Verkaufs von Guess-Produkten die Verbraucher daran zu hindern, in anderen Mitgliedsstaaten einzukaufen.

Dies führte zu einer Abschottung der europäischen Märkte voneinander, wodurch Guess künstlich hohe Endkundenpreise aufrechterhalten konnte. In der Folge überstiegen die Einzelhandelspreise für Guess-Produkte in Mittel- und Osteuropa nach Feststellung der Europäischen Kommission das westeuropäische Preisniveau um 5-10 %.

Weiterhin weist die Europäische Kommission darauf hin, dass die Entscheidung der Europäischen Kommission die Verordnung (EU) 2018/302 über ungerechtfertigtes Geoblocking ergänze, die seit dem 3. Dezember 2018 gilt. Die Verordnung verbietet das sog. „Geoblocking“, bei dem Internetinhalte durch die Anbieter regional gesperrt werden sowie andere Beschränkungen auf geografischer Grundlage, die den Online-Einkauf und den  grenzüberschreitenden Verkauf beeinträchtigen.