Direkt zum Inhalt wechseln

Der Bundestag plant eine Änderung im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sowie im Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen (UKlG). Der Referentenentwurf „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ des federführenden BMJV stammt bereits aus dem September 2018.

Neben allgemeinen Beschwerden um unberechtigte Abmahnungen herrschte zu diesem Zeitpunkt große Sorgen um die Auswirkungen der in Kraft getretenen Datenschutzgrundverordnung. Es wurde befürchtet, dass eine Abmahnwelle auf Klein- und Kleinstunternehmen sowie Sportvereine und Verbände zurolle. Die Abmahnwelle ist auch fast zwei Jahre später noch ausgeblieben. Statistische Erhebungen gibt es auf diesem Gebiet generell wenige, was auch in der Sachverständigenanhörung im Oktober letzten Jahres im Bundestag kritisiert wurde.

Und auch sonst ist völlig offen, ob der gesetzgeberische Wille mit dem bisher vorliegenden Entwurf umgesetzt wird, oder letztlich nur das Lauterkeitsrecht durch unbestimmte Rechtsbegriffe und Überregulierung eher geschwächt als gestärkt wird, ohne einen nennenswerten Erfolg oder Nutzen für den „fairen Wettbewerb“ zu schaffen. Interessant ist schließlich, dass mit dem derzeitigen Entwurf, DSGVO-Verstöße „durch die Hintertür“ als abmahnfähig erklärt würden.

Folgende Neuerungen im Entwurf sind besonders relevant:

  • Neuregelung der Aktivlegitimation, § 8 UWG-Entwurf
    • Vertrieb von Waren oder Dienstleistungen „in nicht unerheblichem Maße“ für Mitbewerber
    • Eintragungserfordernis in Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände für Verbände
    • Gewerkschaften aktivlegitimiert
  • Neufassung des Verbotes der missbräuchlichen Abmahnung, z. B. bei unangemessen hohem Gegenstandswert
  • Ausschluss Aufwendungsersatz bei berechtigter Abmahnung für Mitbewerber bei Verstößen bzgl.:
    • Informations- und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr
    • DSGVO-Verstößen durch Kleinst- und Kleinunternehmen
  • Bei unberechtigter Abmahnung Gegenanspruch: Schadensersatz
  • Abschaffung des „fliegenden Gerichtsstands“
  • Einführung einer „Reparaturklausel“ in das Designrecht, wonach formgebundene Ersatzteile nicht designrechtlich geschützt werden

Neue Regelung der Aktivlegitimation

Die Anforderungen der Aktivlegitimation im § 8 UWG werden erhöht. Gem. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG-Entwurf sollen Mitbewerber nun nur noch dann berechtigt sein, wenn sie Waren oder Dienstleistungen „in nicht unerheblichem Maße“ und „nicht nur gelegentlich“ vertreiben. Es muss sich also um tatsächliche Wettbewerber handeln, die in einem wirklichen Konkurrenzverhältnis zum abgemahnten Unternehmen stehen. Damit fallen begrüßenswerterweise vermeintliche Mitbewerber aus dem Kreis der Aktivlegitimierten, deren einziger Zweck darin besteht, Abmahnungen auszusprechen und die tatsächlich nicht am Markt teilnehmen.

Unklar ist, wie der unbestimmte Rechtsbegriff „nicht unerheblich“ auszulegen ist. Der Mitbewerber ist dafür allerdings darlegungs- und beweispflichtig. Hier könnte es außerdem gerade für neu am Markt agierende Mitbewerbern Probleme geben. Ab wann gelingt es Newcomern, dies ausreichend darzulegen? Auch wenn die Gesetzesbegründung davon ausgeht, dass keine konkreten Umsatzzahlen oder Steuerberaterbescheinigungen nachgewiesen werden müssen, so besteht Unsicherheit, welche Form des Nachweises künftig ausreicht.

Zudem sollen Wirtschaftsverbände künftig dann aktivlegitimiert sein, wenn sie in die Liste der „qualifizierten Wirtschaftsverbände“ eingetragen sind. Bisher reichte es für Wirtschaftsverbände aus, wenn „ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben“. In dem neuen § 8a UWG-Entwurf werden nun objektive Kriterien herangezogen, wann eine Eintragung durch das Bundesamt für Justiz erfolgen kann. Hervorzuheben ist dabei die derzeit im Entwurf geregelte Mitgliedszahl von 75 Unternehmen, die ein Verein nachweisen muss. Außerdem nimmt § 8a Abs. 2 Nr. 3 lit. b UWG-Entwurf die bereits bestehende Voraussetzung auf, dass der Verein seine Ansprüche nicht vorwiegend geltend machen darf, um für sich Einnahmen aus Abmahnungen oder Vertragsstrafen zu erzielen. Dies fußt auf dem von der Bundesregierung formulierten Missstand, dass immer mehr Verbände in bloßer Gewinnerzielungsabsicht und mit fraglichen Mitgliederlisten abgemahnt haben sollen. Inoffiziell wurde der Gesetzesentwurf auch als „IDO-Gesetz“ (Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V.) bezeichnet. Ein Verband, der in der Vergangenheit besonders häufig und in auffallend vielen Branchen abgemahnt hat.

Es ist unklar, ob die Eintragung in eine Liste, wie sie derzeit im Entwurf ausgestaltet ist, daran etwas zu ändern vermag. Der Versuch, unliebsame Verbände über eine neu geschaffene Liste „loszuwerden“, trifft mitunter die falschen und ist für die Komplexität verschiedener Wettbewerbsverhältnisse zu starr. Nach jetzigem Stand würden nämlich vornehmlich kleinere Verbände ausgesiebt – unabhängig von der Branche und einer einhergehenden Bewertung, ob es sich naturgemäß weniger Akteure in diesem Bereich finden lassen. Es liegt es auf der Hand, dass sich ein Verband aus einer Nischen-Branche schwertun könnte, die geforderte Mindestanzahl an Mitgliedern jemals zu erreichen. Damit erschwert es der Gesetzentwurf seriösen Verbänden, verbraucherrelevante Verstöße zu verfolgen.

Zudem sieht der bisherige § 8 UWG vor, dass ein Verband im konkreten Einzelfall nur bei Branchenbezug abmahnen kann. Dieses einzelfallbezogene Kriterium entfällt nun zugunsten einer starren Mindestgröße. Das könnte sogar dazu führen, dass gewisse Verbände im Einzelfall besser dastehen, sofern sie es erstmalig auf die Liste geschafft haben.

Rechtsmissbräuchliche Abmahnung

§ 8b UWG-Entwurf regelt die derzeit in § 8 Abs. 4 S. 1 UWG gefasste Unzulässigkeit für missbräuchliche Abmahnungen. Der neu geregelte Ausschlusstatbestand versucht maßgeblich, die jahrelang dazu gebildete Rechtsprechung abzubilden.

Umstritten ist hier vor allem die Rechtsnatur des § 8 b Abs. 2 UWG-Entwurf. Hier sah der Referentenentwurf noch eine Vermutungsregelung vor, nun liest sich der Tatbestand als Regelbeispiel („liegt insbesondere vor, wenn…“). In Stellungnahmen wird auf den besseren Beurteilungsspielraum hingewiesen, den Gerichte bei einer Ausgestaltung als Vermutungsregelung hätten.

Problematisch sind auch die unbestimmten Rechtsbegriffe der Norm. So sieht § 8b Abs. 2 Nr. 3 UWG-Entwurf vor, dass bei einem „unangemessen“ hoch angesetzten Gegenstandswert ein Missbrauch vorliegt. Hier wäre der Abmahnende einem erheblichen Prozessrisiko ausgesetzt. Die Praxis zeigt, dass die Gerichte Streitwerte höchst unterschiedlich festsetzen. Sollte es also fortan das Regelbeispiel einer missbräuchlichen Abmahnung aufgrund eines (zu) hohen Gegenstandswertes geben, dann würde vermutlich jeder Abmahnung eine zu hohe Ansetzung vorgehalten.

Auch ist es naheliegend, dass gerade bei erheblichen Verstößen mit größeren Gegenstandswerten nicht ausgeschlossen ist, dass je nach Verband- oder Mitbewerberstärke von einer Rechtsverfolgung durch das steigende Verfahrensrisiko abgesehen werden könnte.

Außerdem wertet § 8 Abs. 2 Nr. 4 UWG-Entwurf eine Abmahnung als unzulässig, wenn die Vertragsstrafe „erheblich überhöht“ vereinbart oder gefordert wird. Auch hier ist unklar, ab wann die Erheblichkeitsschwelle überschritten sein wird.

Flankiert wird das Risiko durch einen Aufwendungsersatzanspruch. Künftig kann derjenige, der sich einer missbräuchlichen Abmahnung ausgesetzt sieht, vom Anspruchssteller Ersatz der notwendigen Anwaltskosten verlangen (§ 8b Abs. 3 UWG-Entwurf).

Zusammenspiel mit der Novembermann-Entscheidung des BGH

Auch ist die im Juni 2019 ergangene „Novembermann“-Entscheidung (BGH GRUR 2019, 1044 – Der Novembermann) in diesem Zusammenhang von Bedeutung. Dort urteilte der Bundesgerichtshof, dass mehrere, aber im Wesentlichen gleichlautende urheberrechtliche Abmahnungen, die aufgrund derselben Werke in einem zeitlichen Zusammenhang (in diesem Fall: innerhalb von zwei Monaten) an verschiedene Rechtsverletzer ausgesprochen wurden, kostenrechtlich nur eine Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG darstellen können. Es fallen in diesem Fall nur einmal Gebühren für die rechtsanwaltliche Tätigkeit an. Der Abmahnende hat also in einem solchen Fall einer Massenabmahnung nur einen Kostenersatzanspruch. Durch diese Rechtsprechung besteht zusätzliche Unsicherheit in Bezug auf die Frage, ob Abmahnungen derselben Rechtsverletzung nun eine Angelegenheit darstellen und wann eine Abmahnung zugleich missbräuchlich wird. Hier können schnell erhebliche Differenzen entstehen.

Ausgestaltung der Abmahnung

§ 13 Abs. 2 UWG-Entwurf regelt die Ausgestaltung der Abmahnung. Zu beachten ist hier vor allem, dass die Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung nach § 8 Abs. 3 UWG-Entwurf nun neu geregelt sind und diese „klar und verständlich“ angegeben werden müssen. Mitbewerber müssen also in der Abmahnung selbst angeben, dass sie Waren oder Dienstleistungen in „nicht unerheblichem Maße“ vertreiben.

Neue Ausnahmen vom Aufwendungsersatzanspruch

Zudem sieht der vorgelegte Entwurf zwei Ausnahmen vom Aufwendungsersatzanspruch vor – dies betrifft nur Mitbewerber.

Zum einen sollen Ersatzansprüche bei Abmahnungen, die Verstöße gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien rügen, ausgeschlossen sein. Zum anderen sind Abmahnungen von DSGVO-Verstößen durch „Kleinstunternehmen“ sowie „kleinen Unternehmen“ von dem Aufwendungsersatzanspruch ausgenommen. Intention ist wohl der Schutz von diesen Unternehmen durch eine – bisher gar nicht eingetretene – Abmahnwelle durch die DSGVO. Kleinstunternehmen umfassen dabei bis zu 9 Mitarbeiter und 2 Millionen Euro Umsatz und Kleinunternehmen bis zu 49 Mitarbeiter und 10 Millionen Euro Umsatz. Mit Einführung dieser Ausnahmen würden DSGVO-Verstöße en passant zu Marktverhaltensregelung erklärt, da dies nach der Gesetzessystematik sonst keinen Sinn ergeben würde. Schließlich ist nicht ersichtlich, warum sonst eine Ausnahme für sie von berechtigten Abmahnungen konzipiert wurde. Ziel war es, die nie in der erwarteten Größe eingetretenen DSGVO Abmahnwellen zu unterbinden. Nun soll im Gesetz positiv die Anwendbarkeit des Lauterkeitsrechts auf DSGVO-Verstöße festgestellt werden und ein Schutz der Unternehmer erfolgt im Rahmen des eingeschränkten Aufwendungsersatzanspruchs. Der Gesetzgeber erklärt damit ausdrücklich, dass Verbände und Mitbewerber DSGVO-Verstöße abmahnen dürfen, was die ursprüngliche Intention ad absurdum führen dürfte.

Schließlich zeigt ein weiteres Beispiel, dass der Gesetzesentwurf in sich nicht kohärent ist. § 13a UWG-Entwurf regelt die Vertragsstrafe. Absatz vier bestimmt, dass sich eine „unangemessen hohe Vertragsstrafe“ in eine „angemessene“ wandelt. Unverständlich ist hier das Zusammenspiel von § 8b Abs. 2 Nr. 4 UWG-Entwurf, der eine „erheblich überhöhte“ Vertragsstrafe bereits als unzulässig erklärt. § 13a UWG-Entwurf kann also nur Vertragsstrafen meinen, die nicht „erheblich“ über dem Durchschnitt liegen – denn sonst würde die gesamte Abmahnung scheitern – aber dennoch noch „unangemessen hoch “ sind. Wie zwischen diesen beiden unbestimmten Rechtsbegriffen abgegrenzt werden soll, ist fraglich.

Abschaffung fliegender Gerichtsstand

Als weitere Maßnahme soll außerdem der fliegende Gerichtsstand eingeschränkt werden. Als Begründung wird der Schutz von kleinen und mittleren Unternehmen angegeben. Schließlich könnten so einstweilige Verfügungen nicht mehr gezielt bei weit entfernten Gerichten beantragt werden, um Betroffenen die Rechtsverteidigung zu erschweren. Vergleichend wird dabei auf die Abschaffung im Urheberrecht verwiesen, die zu einem spürbaren Rückgang von Abmahnungen gegenüber Verbrauchern wegen Urheberrechtsverletzungen geführt habe.

Auch heißt es in der Entwurfsbegründung, dass das Rechtsgebiet auf Grund der Vielzahl der betroffenen Rechtsbereiche keine Spezialisierung erfordere, die über die bereits gegebene Zuständigkeit der Kammern für Handelssachen hinausgeht.  Nach einer kurzen Übergangszeit werde an allen Landgerichten eine entsprechende Erfahrung und Kompetenz vorhanden sein, so die Gesetzesbegründung.

Diese Betrachtung verkennt die Besonderheit des Wettbewerbsverfahrensrechts. Schließlich profitiert am Ende doch auch der Abgemahnte selbst von einer besonderen Expertise der Gerichte. Deshalb bleibt zu hoffen, dass die Landesregierungen von der Konzentrationsmöglichkeit in § 13b Abs. 3 UWG-Entwurf Gebrauch machen werden.