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Der Bundesgerichtshof (BGH) setzt das Verfahren im Urheberrechtsstreit um die Videoplattform YouTube aus und legt dem EuGH eine Reihe von Fragen vor. Dabei gilt es zu klären, inwieweit Internetvideoplattformen mit Blick auf die über ihre Server zugänglichen Inhalte eine eigene Nutzungshandlung, also eine öffentliche Wiedergabe vollziehen. Würde dies Zutreffen müssten Internetvideoplattformen für rechtwidrige Inhalte haften, die durch Dritte hochgeladen werden.

Hintergrund des Streits

Der Streit geht auf das Jahr 2008 zurück. Unter anonymen Accounts wurden einzelne Titel des Albums A Winter Symphony der Sängerin Sarah Brightman sowie Konzertmitschnitte ohne Zustimmung des Rechteinhabers auf YouTube eingestellt. Dass ein solcher Upload eine Urheberrechtsverletzung seitens des Nutzers darstellt, ist unstreitig. Da der Nutzer jedoch nicht ausfindig gemacht werden konnte, ging der Rechteinhaber und Kläger gegen YouTube direkt vor und klagte unter anderem auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatz.

Erste Instanz

In erster Instanz vor dem Landgericht Hamburg (Urteil v. 3.9.2010 – 308 O 27/09) wurde dem Kläger ein Unterlassungsanspruch bezüglich einzelner Videos zugesprochen.

Berufung

Das Oberlandesgericht Hamburg (Urteil v. 1.7.2015 – 5 U 175/10) sprach dem Kläger in der Berufungsinstanz ebenfalls Unterlassungsansprüche bezüglich weiterer Videos zu. Auch wurde dem Kläger ein Auskunftsanspruch hinsichtlich derjenigen Nutzer zugesprochen, welche die streitgegenständlichen Videos unter anonymen Account hochgeladen hatten und ausfindig gemacht werden konnten. In Bezug auf den Schadensersatzanspruch wurde die Klage jedoch abgewiesen. Begründet wurde dies damit, dass YouTube keine täterschaftliche Urheberrechtsverletzung begangen habe.

Revision

Mit Beschluss vom 13.9.2019 (Az.: I ZR 140/15) hat der BGH das Verfahren in der Revisionsinstanz ausgesetzt und dem EuGH Fragen zur Auslegung des Begriffs der „öffentlichen Wiedergabe“ sowie das Verständnis des in Art. 14 der eCommerce-Richtlinie normierten Haftungsprivilegs für Hosting Provider vorgelegt. Danach sind Plattformen für die Speicherung von Inhalten durch einen Nutzer nicht verantwortlich, wenn sie keine Kenntnis von der rechtswidrigen Speicherung haben und sie nach Kenntniserlangung unverzüglich tätig geworden sind, um die Inhalte zu entfernen.

Die Vorlagefragen

Nach Ansicht des BGH stellt sich die Frage, ob der Betreiber einer Internetvideoplattform, auf der Nutzer Videos mit urheberrechtlich geschützten Inhalten ohne Zustimmung der Rechteinhabers öffentlich zugänglich machen, eine Handlung der Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG vornimmt, wenn

  • er mit der Plattform Werbeeinnahmen erzielt, der Vorgang des Hochladens automatisch und ohne vorherige Ansicht oder Kontrolle durch den Betreiber erfolgt,
  • der Betreiber nach den Nutzungsbedingungen für die Dauer der Einstellung des Videos eine weltweite, nicht-exklusive und gebührenfreie Lizenz an den Videos erhält,
  • der Betreiber in den Nutzungsbedingungen und im Rahmen des Hochladevorgangs darauf hinweist, dass urheberrechtsverletzende Inhalte nicht eingestellt werden dürfen,
  • der Betreiber Hilfsmittel zur Verfügung stellt, mit deren Hilfe Rechtsinhaber auf die Sperrung rechtsverletzender Videos hinwirken können,
  • der Betreiber auf der Plattform eine Aufbereitung der Suchergebnisse in Form von Ranglisten und inhaltlichen Rubriken vornimmt und registrierten Nutzern eine an von diesen bereits angesehenen Videos orientierte Übersicht mit empfohlenen Videos anzeigen lässt,

sofern er keine konkrete Kenntnis von der Verfügbarkeit urheberrechtsverletzender Inhalte hat oder nach Erlangung der Kenntnis diese Inhalte unverzüglich löscht oder unverzüglich den Zugang zu ihnen sperrt.

  • Ferner möchte der BGH wissen, ob das Haftungsprivileg für Hosting Provider aus Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG auf Videoplattformen Anwendung findet (…).
  • Weiter fragt der BGH, ob es mit Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG vereinbar ist, wenn der Rechtsinhaber gegen den Diensteanbieter erst dann eine gerichtliche Anordnung erlangen kann, wenn es nach einem Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung erneut zu einer derartigen Rechtsverletzung gekommen ist.

Für den Fall, dass die vorgenannten Fragen verneint werden, fragt der BGH, ob der Betreiber einer Internetvideoplattform unter den in der ersten Frage beschriebenen Umständen als Verletzer im Sinne von Art. 11 Satz 1 und Art. 13 der Richtlinie 2004/48/EG anzusehen ist und zur Leistung von Schadensersatz nach Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/EG haftet. Das Verfahren ist beim EuGH zu Az. C-682/18 anhängig.

Bedeutung des Verfahrens

In dem Verfahren geht es um eine mögliche Haftungsverschärfung für Internetvideoplattformen. Kommt man zu dem Ergebnis, dass diese eine eigene Nutzungshandlung vornehmen, indem Inhalte auf der Plattform öffentlich zugänglich gemacht werden, müssten Plattformen wie YouTube als Täter für die von seinen Nutzern begangenen Urheberrechtsverletzungen haften. Gegen eine solche Haftungsverschärfung spricht jedoch, dass die eigentliche rechtsverletzende Handlung von den Nutzern vorgenommen werden und es aufgrund der Menge von Content für Plattformen nahezu unmöglich sein wird, Inhalte bei Upload umfänglich zu prüfen.

Bereits jetzt gibt es Verfahren, um Plattformen nicht ganz von ihrer Verantwortung zu entbinden. So führt das sog. notice-and-take-down Verfahren schon heute zur Reduzierung illegaler Uploads. Auch können sich Rechteinhaber auf die Störerhaftung berufen, wenn Plattformbetreiber auf entsprechende Hinweise bezüglich illegaler Inhalte nicht reagieren.

Der BGH ließ zwar durchblicken, dass er im Fall von YouTube dazu tendiert, eine Nutzungshandlung und somit eine Haftung durch YouTube zu verneinen, die Frage nach der Haftung von Plattformen spielt sich aber auch auf politischer Ebene ab. Der europäische Gesetzgeber sieht in Art. 13 der geplanten Urheberrechtsrichtlinie vor, dass bestimmte Online Content Sharing Service Provider qua Gesetz eine öffentliche Wiedergabe darstellen. Damit wären Internetvideoplattformen automatisch in der Haftung für rechtsverletzende Handlungen ihrer Nutzer.