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Nach einem neuen Urteil des LG Berlin müssen Social-Media-Beiträge mit einer Werbekennzeichnung versehen werden, wenn sie eine Produktempfehlung enthalten, für die der Empfehlende keine Gegenleistung erhalten hat.

Die Entscheidung (LG Berlin 24.5.2018 – 52 O 101/19) sorgt für erheblichen Aufruhr. Gerade Nutzer der sozialen Medien befürchten jetzt, auch jede freiwillige Produktempfehlung als „Werbung“ kennzeichnen zu müssen. Das ist so pauschal natürlich falsch, allerdings deckt das LG Berlin eine Schwachstelle in der gesetzlichen Kennzeichnungspflicht auf. Sie gilt für alle geschäftlich motivierten Formen der Produktempfehlung und unterscheidet nicht danach, ob Produkte gegen Entgelt angepriesen werden oder nicht. In Zeiten von Social Media weitet das den Kreis der von der Kennzeichnungspflicht erfassten Kommunikation erheblich aus.

Dem Urteil zugrunde liegt ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eines Wettbewerbsverbands gegen die Mode-Bloggerin Vreni Frost. Die hatte auf Instagram ein Foto gepostet nebst Links zu Online-Shops bestimmter Anbieter von Markenware. Sie bekam allerdings kein Entgelt dafür und auch keine vergleichbare Form der Zuwendung (wie zB Gratisprodukte).

Dennoch entschied das LG Berlin, dass der Post als „kommerziell“ zu kennzeichnen sei. Grund dafür war Dreierlei:  durch die Verlinkung sei es der Bloggerin darauf angekommen, ihre Follower zum Kauf zu veranlassen.  Zudem sei ihr gesamter Medienauftritt insgesamt geschäftlich orientiert, da sie über mehr als 50.000 Follower habe, gegenüber denen sie mit gekennzeichneten Posts entgeltlich Werbung für Dritte mache. Drittens stehe auch hinter „nicht entgeltlichen“ Produktempfehlungen ein konkretes wirtschaftliches Eigeninteresse der Bloggerin, die sich durch solche Aktionen bei Unternehmen als Influencerin empfehlen wolle.

Tatsächlich unterscheidet § 5 Abs. 6 UWG, der die gesetzliche Kennzeichnungspflicht von Werbung festlegt, nicht in freiwillige und bezahlte Werbung. Maßgeblich ist, ob eine geschäftliche Handlung vorliegt, deren kommerzieller Zwecke verschleiert wird. Die Norm geht zurück auf Zeiten, in denen Werbung ausschließlich im TV, im Radio und in Print stattfand. Seinerzeit war es undenkbar, dass Werbung unentgeltlich stattfindet. Daher war das entscheidende Kriterium zur Feststellung des Werbecharakters einer Handlung, ob der Handelnde dafür bezahlt wird oder nicht. Von diesem Kriterium  wird man sich verabschieden müssen.

Nach dem Wortlaut des Gesetzes kommt es darauf an, ob eine Produktempfehlung geschäftliche Zwecke verfolgt oder nicht. Entscheidend ist, ob die Handlung geeignet ist, eigenen oder fremden Absatz zu fördern. Gehört der unentgeltliche Produkttipp zum Geschäftsmodell eins Bloggers, nämlich um die Zahl der eigenen Follower zu vergrößern und potentielle Sponsoren anzutriggern, ist von geschäftlichem Handeln auszugehen. Insoweit liegt das LG Berlin wohl richtig. Diese Umstände muss der Klagende aber beweisen.

Das bedeutet, dass die reine Produktempfehlung ohne Gegenleistung nicht zwangsläufig Werbung i.S.v. § 5a Abs. 6 UWG darstellt. Die Bloggerin, die konkrete Waren anpreist, weil sie sich auskennt, kann nicht schon deshalb der Kennzeichnungspflicht unterliegen. Dasselbe gilt für Youtuber, die Hoodies, Schuhe oder Sonnenbrillen ihrer Lieblingsmarke tragen. Auf den Nebeneffekt, nämlich dass die Empfehlung beim Warenanbieter womöglich zu Umsatzerfolgen führt, kommt es nicht entscheidend an. Wird der Blog oder der Social Media Account aber insgesamt zur Erzielung von Umsätzen aus Werbetätigkeit betrieben, dürfte wegen einer im Einzelfall unentgeltlichen Produktempfehlung eine Kennzeichnungspflicht bestehen.

Daher kann aber auch die Verlinkung zum Produkt oder zum Shop nicht entscheidend sein. Warum sollte, wer empfiehlt, nicht auch mitteilen dürfen, wo man das Produkt bekommt und den Link zum Warenangebot übermitteln? Insoweit ist dem LG Berlin nicht zuzustimmen.

Falsch wäre es, nunmehr jede Verlinkung zu Produkten und jedes Instagram-Foto, auf denen Marken erkennbar sind, als Werbung zu kennzeichnen. Zum einen kann dies wettbewerbsrechtlich irreführend sein, weil über eine tatsächlich nicht bestehende Partnerschaft getäuscht wird. Zum anderen besteht kein Anlass dafür, jede Form der Produktempfehlung als geschäftliche Handlung anzusehen.

Klar ist aber, dass man die gesetzliche Regelung der Werbekennzeichnungspflicht auf ihre Tauglichkeit prüfen muss. Angesichts dessen, dass die sozialen Kanäle das Influencertum fördern, wäre zum einen kritisch zu hinterfragen, ob es für die Kennzeichnung überhaupt noch darauf ankommen kann, ob eine Handlung objektiv zur Absatzförderung geeignet ist, sondern ob es nicht entscheidend auf die Motivation des handelnden ankommen muss. Zum anderen wäre zu überprüfen ob und inwieweit der Verbraucher überhaupt noch in kommerziell intendierte und freiwillige Produktempfehlungen unterscheiden möchte („ist doch egal, ob das Werbung ist – das Produkt ist cool“). Letzteres würde zu der Frage führen, ob die Werbekennzeichnungspflicht insgesamt noch zeitgemäß ist.