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In einer aktuellen Entscheidung hat das LAG Baden-Württemberg entschieden, dass die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt ist, wenn ein Mitarbeiter unzutreffende Behauptungen über Betriebsangehörige an andere Kollegen verbreitet, die geeignet sind, den Ruf des Betriebsangehörigen erheblich zu beeinträchtigen.

Die Klägerin war als kaufmännische Angestellte in dem Betrieb tätig. Sie teilte einer Kollegin durch den Messenger-Dienst WhatsApp mit, dass sie gehört habe, dass „der Vater des Geschäftsführers angeblich ein verurteilter Vergewaltiger sein soll. Niemand wolle mehr etwas mit ihm zu tun haben“. Außerdem meinte sie „alles unternehmen zu müssen, dass sie und ihre Kollegin aus dem Betrieb rauskommen. Ob es ein Urteil gegen den Vater des Geschäftsführers gäbe, wisse sie nicht. Für so jemanden werde sie aber nicht mehr arbeiten“ und riet der Kollegin „und du auch nicht“. Außerdem habe die Person „früher wohl auch Betrug in der Versicherungsbranche durchgeführt, was aber nie angezeigt worden ist“.

Die von der Klägerin kontaktierte Kollegin nahm daraufhin Kontakt mit dem Geschäftsführer auf und informierte diesen über die kursierenden Gerüchte seinen Vater betreffend. Der Geschäftsführer kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin außerordentlich fristlos.

Zu Recht, bestätigte das LAG Baden-Württemberg: Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos gekündigt werden, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Einen rechtfertigenden Grund stellen u. a. grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen dar, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten. Entsprechendes gilt nach ständiger Rechtsprechung,  wenn Arbeitnehmer bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen über den Arbeitgeber und/oder Vorgesetzte bzw. Kollegen aufstellen, vor allem dann, wenn die Erklärungen den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen.  Mit der Begehung einer Straftat verletzt der Arbeitnehmer zugleich in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein solches Verhalten kann auch dann einen wichtigen Grund im Sinn des § 626 Abs. 1 BGB darstellen, wenn die rechtswidrige Handlung zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat (BAG, 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09; Rn. 26).

Die Kammer des LAG führte aus, dass im Unterschied zur einfachen Beleidigung der Tatbestand der üblen Nachrede das Behaupten oder Verbreiten von ehrenrührigen Tatsachen erfasst, wenn der Kundgabeempfänger nicht – oder zumindest nicht nur – der Betroffene ist. Im Unterschied zur Verleumdung setzt die üble Nachrede nicht voraus, dass der Täter weiß, dass die ehrenrührige Tatsachenbehauptung unwahr ist. Zudem stellte das Gericht fest, dass im Rahmen des § 186 StGB  sich der Vorsatz zwar auf die Ehrenrührigkeit der verbreiteten Tatsache, nicht aber auf deren Unwahrheit oder Nichterweislichkeit beziehen muss. Eine Sorgfaltswidrigkeit ist insoweit nicht erforderlich.

Die von der Klägerin verbreitete WhatsApp Nachricht enthält eine objektiv unzutreffende Behauptung, der Vater des Geschäftsführers sei ein verurteilter Vergewaltiger. Diese Behauptung stellt eine ehrenrührige Behauptung dar, die zudem geeignet ist, den Betroffenen in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Dass es sich bei der Behauptung um eine ehrenrührige Behauptung handelte, war der Klägerin bewusst. Dies konnte bereits aus ihrer Formulierung entnommen werden „und deshalb will niemand mehr mit ihm etwas zu tun haben.“, dem gesamten Verlauf der Chat-Unterredung und aus ihrer Entscheidung heraus, wegen dieses Umstandes nicht mehr für ihren Arbeitgeber arbeiten zu wollen. Für das Verbreiten von unwahren Tatsachenbehauptungen reicht es aus, wenn die fremde Behauptung nur an eine weitere Person weitergegeben wird, dies auch, wenn die Weitergabe vertraulich geschieht.

Das LAG Baden-Württemberg folgte der Argumentation der Klägerin nicht, dass sie sich auf ihr Recht zur freien Meinungsäußerung (Art. 5 GG) berufen könne. Das Grundrecht ist nicht schrankenlos gewährleistet (vgl. BAG, 18. Dezember 2014 – 2 AZR 265/14; Rn. 18), sondern wird durch das Recht der persönlichen Ehre gem. Art. 5 Abs. 2 GG beschränkt und muss mit diesem in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden. Zwar dürfen Arbeitnehmer – auch unternehmensöffentlich – Kritik am Arbeitgeber, ihren Vorgesetzten und den betrieblichen Verhältnissen üben und sich dabei auch überspitzt äußern. Allerdings muss der auch strafrechtlich gewährleistete Ehrenschutz beachtet werden. Ein Rechtfertigungsgrund stand der Klägerin nicht zur Seite. Schutzwürdige Interessen hat die Klägerin mit Ihren Äußerungen gleichermaßen nicht verfolgt. Dies gilt ebenso für die Wahrnehmung berechtigter Interessen Dritter.

Die Interessenabwägung entschied die Kammer zutreffend zu Lasten der Klägerin. Bei der unwahren Tatsache, die von der Klägerin verbreitet wurde, handelte es sich um eine äußert gravierende Beschuldigung, nämlich der Behauptung, der Vater des Geschäftsführers habe eine strafbare Handlung begannen. Dies betrifft nicht nur den Kreis der Mitarbeiter des Betriebes, sondern auch die Außenwirkung des Arbeitgebers. Würde das – objektiv falsche – Gerücht nach außen gelangen, könnten auch Kundenbeziehungen auf dem Spiel stehen. Auch handelte es sich nicht um einen Einzelfall, da die Klägerin außerdem behauptet hatte, dass der Vater des Geschäftsführers einen  Versicherungsbetrug begangen habe. Die Behauptung war zudem geeignet, die Position des Geschäftsführers zu untergraben, da sich die unzutreffende diffamierende Behauptung auf dessen Vater bezog. Die Untergrabung der Position eines Vorgesetzten muss der Arbeitgeber aber nicht hinnehmen (vgl. BAG, 10. Dezember 2009 – 2 AZR 534/08).

Auch hatte der Arbeitgeber keine Abmahnung auszusprechen, da das Handeln der Klägerin eine solch schwere Pflichtverletzung darstellt, deren Rechtswidrigkeit ihr ohne weiteres erkennbar war, und bei der die Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG, 23. Oktober 2008 – 2 AZR 483/07).

Fazit

Die zutreffende Entscheidung des LAG Baden-Württemberg zeigt in klaren Linien auf, wann Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis kündigen können, wenn Mitarbeiter gegenüber Betriebsangehörigen vertragswidrige Handlungen im Zusammenhang von strafrechtlichen Tatbeständen wie Beleidigung, Verleumdung, Üble Nachrede etc. begehen. In solchen Fällen wird der Arbeitgeber zudem meist sofort eine Kündigung aussprechen können, ohne den Mitarbeiter zunächst abmahnen zu müssen.